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Multiskalige numerische Modellierung und Optimierung der Wirkung des Kühlschmierstoffs beim Wälzschälen

Herausforderungen

Die Entwicklungstrends in der Produktionstechnik gehen zu effizienteren und schnelleren Fertigungsverfahren, mit denen bei immer höheren Anforderungen an deren Genauigkeit Teile effizient, ressourcen- und umweltschonend gefertigt werden können. Zur Herstellung von Innenverzahnungen für Hohlräder von Planetenradgetrieben wird vor dem Hintergrund dieses Trends das hochproduktive Hochleistungsverfahren Wälzschälen zunehmend attraktiv. Dabei treten jedoch immer wieder sogenannte Spanklemmer auf: Der Span wird zwischen Werkzeugschneide und Werkstück eingeklemmt. Beim Spanklemmen kann die Oberfläche des Werkstücks beschädigt werden oder auch die Schneidkante ausbrechen, was einen Werkzeugwechsel vor Ablauf der Standzeit zur Folge hat. Der genaue Entstehungsprozess von Spanklemmern beim Wälzschälen ist bislang weitestgehend unverstanden. Nach Kühlewein [1] können zwei grundsätzliche Entstehungsmechanismen unterschieden werden. Bei Spanklemmern erster Art handelt es sich um vollständig abgetrennte Späne, deren Abtransport aus der Spanbildungszone nicht gewährleistet ist. Dagegen werden unter Spanklemmern zweiter Art Späne verstanden, die während des Schnitts nicht vollständig vom Werkstück abgetrennt werden. Sie haften dann am Werkstück und können potentiell im weiteren Verlauf nachfolgender Schnitte zu Spanklemmern führen. Den bislang unerforschten Wechselwirkungen zwischen der Kühlschmierstoffströmung und den Spänen wird sowohl hinsichtlich transportgetriebener Spanklemmer (erster Art) als auch hinsichtlich spanbildungsgetriebener Spanklemmer (zweiter Art) eine wesentliche Rolle bei deren Entstehung zugeschrieben.

Am Institut für Thermische Strömungsmaschinen werden im Rahmen des DFG Schwerpunktprogramms FluSimPro die Wechselwirkungen der durch den Kühlschmierstoff wirkenden Kräfte sowie Wärmeströme auf den Spanbildungs- und Transportprozess beim Wälzschälen untersucht. Wälzschälen zeichnet sich durch eine hohe kinematische Komplexität aus. Die Kinematik ähnelt grundsätzlich einem Planetengetriebe und ist in Abbildung 1 zu erkennen. Das Hohlrad (Werkstück) und ein Planetenrad (Werkzeug) befinden sich während des Fertigungsprozesses im Eingriff. Die eigentliche Schnittbewegung resultiert aus einer Verkippung der beiden Rotationsachsen um den sog. Achskreuzwinkel (Σ). Analog zu Zahnradgetrieben müssen die Drehzahlen von Werkzeug und Werkstück in einem Verhältnis stehen, das neben der zu fertigenden Übersetzung von den Schrägungswinkeln der eingesetzten Verzahnungen und dem Achskreuzwinkel abhängt. Zusätzlich sind Zustellbewegungen radial und parallel zur Werkstückachse überlagert. Die komplexe Kinematik stellt zusammen mit den transienten Schnittbedingungen und den unterschiedlichen wirkenden Skalen die größte Herausforderung bei der Simulation des Prozesses dar.

Abbildung 1: Kinematik des Wälzschälens

Projektstruktur

Um alle relevanten physikalischen Mechanismen abdecken zu können, beteiligen sich neben dem ITS zwei weitere Projektpartner. Das Institut für Produktionstechnik (wbk) beschäftigt sich mit fertigungstechnischen Fragestellungen und der Simulation der Spanbildung. Das Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik (IWM) untersucht auf den kleinen Längenskalen die Reibungs-, Schmierungs- und lokalen Wärmeübergangsphänomene im Werkzeug-Span-Kontakt. Am Institut für Thermische Strömungsmaschinen werden numerische Untersuchungen zur Strömung von Luft und Kühlschmierstoff und zum Wärmeübergang beim Wälzschälen auf Skalen der Kontinuumsmechanik durchgeführt. Die Rollen der Projektpartner und ihre Zusammenarbeit sind in Abbildung 2 dargestellt. Im unteren Teil sind die verschiedenen zu betrachtenden Längenskalen des Prozesses zu erkennen.

Abbildung 2: Struktur des Projekts

Ziele

In einer ersten Projekt-Phase werden auf kinematisch vereinfachten Analogieprozessen verschiedene Simulationsmodelle zur Kühlschmierstoffströmung und Kühlung am ITS erarbeitet und durch den Projektpartner (wbk) experimentell validiert. Die validierten, multiphysikalischen Modelle können anschließend auf den tatsächlichen Wälzschälprozess übertragen werden. Hierbei sollen am ITS Simulationsmodelle zum Eindringverhalten des Kühlschmierstoffs im Werkzeug-Werkstück-Kontakt mit Methoden aus dem Bereich der Öl-Zahnrad-Interaktion erstellt werden. Beispielhaft ist in Abbildung 3 die Simulation des Auftreffens eines Ölstrahls auf ein einzelnes Zahnrad dargestellt. Unter Hinzuziehen von strukturmechanischen Spanbildungssimulationen lassen sich so Startbedingungen für Spantransportsimulationen ableiten. Damit ist im weiteren Verlauf ist geplant, den Transport der Späne nach dem Abtrennen vom Werkstück zu simulieren. Basierend auf diesen Simulationen soll die Zufuhr des Kühlschmierstoffs dahingehend optimiert werden, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Spanklemmern im Wälzschälprozess zu reduzieren.

Abbildung 3: Ölstrahlaufprall auf einem Zahnrad

Quellen

[1] Kühlewein, C. (2013): Untersuchung und Optimierung des Wälzschälverfahrens mit Hilfe von 3D-FEM-Simulation: 3D-FEM Kinematik- und Spanbildungssimulation, Bd. 174 von Forschungsberichte aus dem wbk, Institut für Produktionstechnik (https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000034260)

Abbildungen

Abbildung 1: nach Breig (wbk)

Abbildung 2: Haber

Abbildung 3: Haber